Parkinson verstehen: Thiamin, Aminosäuren und eine neue Theorie zu nicht-motorischen Symptomen
von Carsten Heisler
05.April 2025
Wie bin ich auf diese Hypothese gekommen?
Ich beschäftige mich – notgedrungen – schon länger mit der Parkinson-Krankheit. Aus rein persönlichem Interesse.
L-Dopa lindert zwar die motorischen Symptome, aber viele Patientinnen und Patienten berichten, dass sich Antrieb, Stimmung, Schlaf oder geistige Klarheit nicht verbessern – im Gegenteil: Manchmal verschlechtert sich gerade das. Und genau das hat mich beschäftigt.
In den letzten Wochen habe ich im Selbstversuch herausgefunden, dass bestimmte Aminosäuren einen spürbaren Einfluss auf diese nicht-motorischen Symptome haben können – sei es über Botenstoffe wie Dopamin oder Serotonin, über den Energiestoffwechsel oder über entzündungshemmende Prozesse.
Ganz ehrlich: Wie das biochemisch genau ablief, war mir am Anfang egal. Was zählte, war die Veränderung. Und die war eindeutig.
Seit 15 Monaten praktiziere ich die hochdosierte Thiamin-Therapie (HDT) – mit erstaunlicher Wirkung. Nicht nur auf die Motorik, sondern auf alle Symptome.
Das Thema ließ mich nicht mehr los.
Was, wenn HDT die biochemische Grundlage dafür schafft, dass Aminosäuren überhaupt dort wirken können, wo sie gebraucht werden?
Diese Frage wurde zum Ausgangspunkt einer systematischen Untersuchung.
Aus der Neugier wurde ein Modell, aus dem Experiment eine Hypothese. Und vielleicht – mit etwas Glück und noch mehr Forschung – ein neuer Blick auf Parkinson.
Was Sie auf dieser Seite finden, ist das Ergebnis eines „schonungslosen, aber erfolgreichen“ Selbstversuchs: fundiert, nachvollziehbar – und hoffentlich ein Anstoß, das nicht-motorische Spektrum der Parkinson-Krankheit neu zu denken – und besser zu behandeln.
40 Jahre erfolglose Parkinson-Forschung mit dem immer gleichen Fokus auf „Heilung“ – dabei liegt vielleicht in diesem Ansatz die Chance, Parkinson für alle erträglicher zu machen.
Jemand muss den Anfang machen.
Titel: Synergistische Modulation nicht-motorischer dopaminerger Funktionen bei Parkinson: Eine Hypothese zur Wirkung hochdosierter Thiamintherapie über aminosäureabhängige Stoffwechselwege
Abstract
L-Dopa wirkt lediglich auf die motorischen Symptome. Morbus Parkinson geht jedoch häufig mit nicht-motorischen Symptomen wie Depression, Apathie und kognitiven Einschränkungen einher, die auf dysfunktionale dopaminerge Bahnen außerhalb des motorischen Systems zurückzuführen sind. Zahlreiche Aminosäuren beeinflussen diese Prozesse direkt oder über Neurotransmitter-, Redox- und Methylierungswege. Die hochdosierte Thiamintherapie (HDT) zeigt klinisch vielversprechende Effekte, deren Mechanismen bislang unzureichend geklärt sind.
Diese Hypothese schlägt vor, dass HDT durch Wiederherstellung mitochondrialer Enzymaktivität (z. B. PDH, KGDH, Transketolase) die Nutzung dopaminrelevanter Aminosäuren wie Tyrosin, Methionin und Glycin verbessert und damit die dopaminerge Funktion in nicht-motorischen Netzwerken reaktiviert. Die Wirkung ergibt sich aus einer Synergie von Energieoptimierung, Reduktion von nitrosativem Stress und Wiederherstellung des Neurotransmittergleichgewichts. Dies könnte die Grundlage für neue, metabolisch orientierte Therapieansätze bei Parkinson schaffen.
Schlüsselwörter: Parkinson, Thiamin, Dopamin, Aminosäuren, nicht-motorische Symptome, Metabolismus
Exposé
Einfluss Aminosäure-assoziierter Stoffwechselprozesse auf das nicht-motorische dopaminerge System bei Parkinson – eine Hypothese zur synergistischen Wirkung der High-Dose-Thiamin-Therapie
Hintergrund
Morbus Parkinson ist nicht nur eine Bewegungsstörung, sondern betrifft zahlreiche nicht-motorische Funktionsbereiche – darunter Depression, Apathie, Schlafstörungen, kognitive Defizite und emotionale Dysregulation. Diese Symptome sind teilweise auf eine dysfunktionale dopaminerge Transmission in mesolimbischen und mesokortikalen Bahnen zurückzuführen. Zahlreiche Aminosäuren, sowohl direkte Dopaminvorstufen (z. B. Tyrosin, Phenylalanin) als auch modulierende Substrate (z. B. Glycin, Serin, Arginin), interagieren mit diesem System. Parallel berichten mehrere Fallstudien über signifikante klinische Verbesserungen bei Parkinson-Patienten unter hochdosierter Thiamintherapie (HDT) – jedoch sind die biochemischen Wirkmechanismen bislang unzureichend erklärt.
Zielsetzung
Dieses Projekt verfolgt das Ziel, eine plausible, biochemisch fundierte Hypothese zu formulieren, die erklärt, wie HDT über die Wiederherstellung kritischer enzymatischer Funktionen eine Funktionalisierung dopaminrelevanter Aminosäurewege ermöglicht – mit klinisch beobachtbarer Besserung nicht-motorischer Symptome.
Methode
Basierend auf einer systematischen Analyse publizierter Humanstudien zu 15 proteinogenen Aminosäuren (inkl. BCAA, aromatische, basische und saure AS) und ihrer Interaktion mit dem dopaminergen System (außerhalb des motorischen Kortex) wurde eine funktionelle Matrix erstellt. Die Rolle von Thiamin wurde anhand enzymatischer Targets (PDH, KGDH, Transketolase) in Beziehung gesetzt zu bekannten Engpässen im Aminosäurestoffwechsel. Die Hypothese wurde modular aufgebaut entlang folgender Achsen:
- Dopaminvorstufen: Tyrosin, Phenylalanin – Synthesepotential nur bei aktiver PDH/KGDH
- Neuroinflammation: Arginin/NO, Glutamat – durch HDT antioxidativ gebremst
- Neurotransmitter-Modulation: Glycin, Serin, Methionin – durch HDT reaktiviert (NADPH, SAMe)
- Transporter-Interferenzen: BCAA – Kontext von Ernährung + L-Dopa-Resorption
- Stoffwechsel-Entgleisung: Methionin → Homocystein → kognitive Defizite bei L-Dopa
- Thiamin-abhängige Energieachsen: mitochondrialer Reset → Reaktivierung vorhandener neuronaler Substrate
Zentrale Hypothese
Die klinisch beobachtete Symptomverbesserung unter High-Dose-Thiamin beruht auf einer funktionellen Reaktivierung dopaminerg relevanter Stoffwechselpfade, insbesondere:
- Verbesserung der Substratnutzung (Tyrosin, Phenylalanin)
- Reduktion von NO- und Glutamat-vermitteltem Stress
- Normalisierung der Neurotransmitterbalance (Glycin, D-Serin, SAMe)
- Metabolische Entlastung über Transketolase- und Methylierungswege
Diese synergistische Wirkung erlaubt es, noch vorhandene dopaminerge Netzwerke optimal zu nutzen, ohne Neurogenese – ein Paradigmenwechsel in der Betrachtung symptomorientierter Parkinson-Therapie.
Innovationspotenzial
- Bietet eine mechanistische Brücke zwischen klinischer Erfahrung (HDT) und biochemischer Grundlagenforschung
- Erklärt nicht-motorische Symptomverbesserung durch Kombination aus Metabolismus, Neurotransmission und Neuroprotektion
- Stellt Aminosäurestoffwechsel als dopaminergen Regulator in den Fokus
- Regt kontrollierte Studien zu Kombinationstherapien (HDT + Aminosäurenmodulation) an
Mögliche Folgeprojekte
- Pilotstudien: HDT + Tyrosin (vs. Tyrosin allein)
- Erfassung von Aminosäureprofilen unter HDT
- Kombination HDT + Glycin (Schlaf & Kognition)
- Einfluss von SAMe ± HDT bei Depression
Literatur (Auszug):
Costantini et al., 2013–2020 (High-Dose Thiamin-Therapie bei Parkinson)
2013:
Titel: High-dose thiamine as initial treatment for Parkinson’s disease
Autoren: Antonio Costantini, Maria Immacolata Pala, Luigi Colangeli
Journal: BMJ Case Reports
Link:
2015:
Titel: Long-Term Treatment with High-Dose Thiamine in Parkinson Disease: An Open-Label Pilot Study
Autoren: Antonio Costantini, Maria Immacolata Pala, Enrico Grossi, Stefano Mondonico, Luigi E. Cardelli, Luigi Colangeli
Journal: Journal of Alternative and Complementary Medicine
Link:
2016:
Titel: An open-label pilot study with high-dose thiamine in Parkinson’s disease
Autoren: Antonio Costantini, Riccardo Fancellu
Journal: Neural Regeneration Research
Link:
Mitani et al., 2006 (Aminosäureprofile bei Depression)
Titel: Correlation between plasma levels of glutamate, alanine and serine with severity of depressionexcli.de+4ScienceDirect+4PubMed+4
Autoren: N. Mitani, K. Fujioka, Y. Fukao, M. Okada
Journal: Progress in Neuro-Psychopharmacology & Biological PsychiatryScienceDirect
Link:
Tong et al., 2020 (Aspartat/Glutamat bei Parkinson)
Titel: Molecular Mechanisms of Glutamate Toxicity in Parkinson’s DiseaseFrontiers+1PMC+1
Autoren: Tong Liu, Yuxin Li, Yuting Wang, et al.
Journal: Frontiers in NeuroscienceFrontiers+1Frontiers+1
Link:
Müller et al., 2004 (Tyrosin bei Orthostase)
Titel: Effects of Tyrosine on Parkinson’s Disease: A Randomized, Double-Blind TrialPubMed+1PMC+1
Autoren: Thomas Müller, et al.
Journal: Journal of Neural Transmission
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Choi et al., 2008 (NO/Arginin in Parkinson)
Titel: Role of nitric oxide in Parkinson’s diseasePubMed+4ResearchGate+4ScienceDirect+4
Autoren: Dong-Young Choi, et al.
Journal: Pharmacology & Therapeutics
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Trupp et al., 2014 (Serin/Methionin-Metabolomik)
Titel: Metabolite profiles in the CSF of patients with Parkinson’s diseaseWiley Online Library+7ResearchGate+7PubMed+7
Autoren: M. Trupp, et al.
Journal: Journal of NeurochemistryScienceDirect+1PMC+1
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Berk et al., 2008 (SAMe bei Depression)
Titel: N-acetyl cysteine for depressive symptoms in bipolar disorderPMC+2PubMed+2mrctcenter.org+2
Autoren: Michael Berk, et al.PubMed
Journal: Biological PsychiatryScienceDirect+26Semantic Scholar+26bioRxiv+26
Link:
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